Montag, 18. Mai 2009

Integration aus Migrantensicht

So, nach über einem Jahr Untätigkeit fühle ich mich bemüßigt, hier mal wieder was zu schreiben. Anlass ist ein heute besuchtes Uniseminar, in dem es um die Benachteiligung von Migranten im Bildungssystem ging. Der entsprechende Vortrag war eigentlich weniger spektakulär, die überproportionale Präsenz von Migrantenkinder auf Sonder- und hauptschulen etwa ist hinlänglich bekannt. Interessant wurde es in der anschließenden Diskussion. Unter den Seminarteilnehmern waren auch einige ausländische Studierende, die das ein oder andere bemerkenswerte Statement abgaben, in dem man Einblick in ihr jeweiliges verständnis von Integration bekam.
Das erste von zwei Statements, die ich hier vorstellen möchte, kam von einem Schwarzafrikaner, genaue Herkunft und Religion unbekannt. Auf die Ausführungen eines Kommilitonen zur Wichtigkeit des deutschen Sprachgebrauchs im Alltag von jungen Migranten reagierte er mit der besorgt vorgetragenen Frage:
Willst du jetzt auf ein Annehmen von Kultur hinaus?
Diese Frage und der besorgte Unterton, mit der sie vorgetragen wurde, impliziert folgendes: Offensichtlich ist es für den jungen Mann grundsätzlich negativ besetzt, die Kultur des Landes in dem er lebt, anzunehmen. Zwar sieht er nach eigenen Worten das Erlernen der deutschen Sprache als wichtig an, doch anscheinend soll dieses bloß nichts mit dem Aneignen von Kultur zu tun haben. Sprache also nur als Kommunikationsmittel, aber nicht als Teil der Kultur? Reicht es, wenn Migranten sich verständigen können, ohne sich auf die deutsche Kultur einzulassen?
Das halte ich für äußerst problematisch. Ich bin davon überzeugt, dass eine gewisse kulturelle Kohärenz notwendig ist, um eine Gesellschaft auf Dauer zusammenzuhalten. Ein zentraler Teil dieser kulturellen Kohärenz ist die Sprache. Diese kann man nicht einfach aus dem kulturellen Kontext heraustrennen. Reduziert man die Sprache nun auf ein reines Kommunikationsmittel, welches Migranten anwenden können, ohne Gefahr zu laufen, mit deutscher Kultur in Berührung zu kommen, erhält zwar deutschsprachige Parallelgesellschaften, diese bleiben aber immer noch Parallelgesellschaften. Kulturelle Kohärenz ist das nicht. Ein erster Schritt zu dieser wäre, als Deutsch sprechender oder lernender Migrant zu sagen: "Hey, ich lerne Deutsch, und als Deutsch Sprechender in Deutschland habe ich einen Teil der hier vorherrschenden Kultur angenommen und mich ein Stück weit in diese integriert." Das dürfte doch eigentlich nicht so schwer sein. Leider sieht die Position des jungen Mannes aus dem Seminar eher so aus: "Ich spreche zwar Deutsch, um hier zurecht zu kommen. Aber dies bedeutet keinesfalls, dass ich mich auf die deutsche Kultur einlasse, denn dieses kommt für mich nicht in Frage." Eine solche Position ist Erkennen des Notwendigen unter Beibehaltung von Integrationsverweigerung , ein Spagat, der nicht dazu taugt, kulturelle Kohärenz herzustellen.

Das zweite Zitat stammt von einer jungen Türkin. Zum Thema "Integration durch Sport im Verein" wusste sie zu berichten
Also, da tun sich ja rassistische Abgründe auf, die man eigentlich gar nicht sehen will. Es gibt so viele Deutsche, die darauf beharren, das Deutsche zu bewahren.
Ach so, es ist also rassistisch, wenn man als Deutscher bemüht ist, seine eigene Kultur im eigenen Land bewahren zu wollen. In diesem Zitat spiegelt sich die leider bei vielen Migranten zu beobachtende Opferperspektive wieder. Ist aber auch eine Frechheit von den pöhsen Deutschen, einfach so ihre Kultur fortführen zu wollen. Wie kann man auch immer noch Bratwurst vom Schwein einem Döner vom geschächteten Kalb vorziehen. Ist schon furchtbar rassistisch, so ein Verhalten. Merke: Als eingewanderter Muselmann hat man ein Menschenrecht darauf, in Deutschland wie in der Türkei zu leben, ohne sich auch nur einen Millimeter an die Leitkultur anpassen zu müssen. Erdreistet sich ein Deutscher aber, in Deutschland zu leben wie in Deutschland, auch wenn um ihn herum die Gebetsteppiche mekkawärts ausgerollt werden, ist das Rassismus.
Besonders erschreckend ist, dass solche Ansichten von gebildeten Migranten (Studenten) kommen, die anscheinend vom deutschen Bildungssystem nicht ganz so arg böse rassistisch benachteiligt wurden.